Erste Male - Gips
- Shehla-Ufaq Ahmad
- 6. März 2022
- 3 Min. Lesezeit

Ja, wie war das noch mal mit den ersten Malen? Das Medizinstudium ist - zumindest dem klassischen Modell nach - ziemlich trocken und viel Theorie basierend. Da sind gelegentliche Möglichkeiten einer praktischen Tätigkeit vergleichbar mit Eid oder Weihnachten. Und so war es auch, als ich am 10. April 2019, meinen ersten Gips anlegen durfte. Damals war ich im 6. Semester, das das zweite klinische Semester bildet. Ich erinnere mich noch genau, dass es ein Tag voller Sonnenschein und guter Laune war. Dass genau ausgerechnet dieser Tag vollgepackt sein würde, dimmte zwar meine Stimmung, wurde aber wettgemacht, als uns verkündet wurde, dass wir unsere ersten eigenen Gipse anlegen durften. Zwar nicht an richtigen Patienten, sondern an uns gegenseitig. Aber hey, immerhin durften wir es und zählt nicht der Gedanke, das Prinzip?
Mir selbst wurde nie ein Gips angelegt, deswegen wusste ich nicht, wie genau das alles funktioniert. Die Mentoren an unserer Seite nahmen uns glücklicherweise Schritt für Schritt mit. Nachdem wir in die theoretische Lehre unterwiesen wurden und erfuhren, in welcher Stellung der Arm und die Hand gebeugt, gestreckt und gelagert werden soll - zugegeben, da habe ich nur mit halbem Ohr zugehört, weil ich mit meinen Gedanken bereits voraus war und einen Namen in der Welt in der Gipskunst gemacht hatte - und dass wir neben dem Hartmaterial, das später, nach dem es getrocknet wird, der klassische Gips wird, noch Unterzug, Polsterung, und ggf. auch Überzug brauchten, legten wir unsere Materialen zusammen. Der Unterzug und die Polsterung dienen unter anderem für den Schutz der Haut, deswegen sind sie gar nicht mal so unwichtig, und kommen als erstes dran. Als diese beiden angebracht waren, kam der Funpart: Das Hartmaterial wird nämlich angefeuchtet und auf die Polsterung aufgetragen. Nass kann das Material geformt werden und fühlt sich wie Ton oder Kleister an - wenigstens für mich. Augenblicklich fühlte ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt, wo man in der 5. Klasse im Kunstunterricht seinen künstlerischen Fähigkeiten Ausdruck verleihen durfte. Vielleicht hört sich das kindisch an, aber für mich war es sehr faszinierend, das Material aufzutragen. Erst als es vollständig trocknete, war der Gips so, wie wir ihn kennen - hart und unbeweglich. Natürlich kommen klinisch relevante Aspekte hinzu, wie das Überprüfen der Fingerbeweglichkeit, Gipskontrolle im Röntgen etc., aber ich lasse diese aus und beleuchte nur den Teil, der die Praxis beleuchtet und meine Gefühle als Studentin.

Falls ihr wie ich dachtet, das war's an Coolness. Tja, falschgelegen. Der richtig coole Part kommt jetzt noch: denn den Gips müssen wir ja auch wieder abmachen, damit unser Gegenüber normal in den Alltag ziehen kann. Und wie genau macht man das? Genau! Mit einer kleinen Säge! Da gehen alle Sadisten auf ;D. Geschockt? Ängstlich? Nun, keine Sorge, denn die Maschine ist so ausgelegt, dass sie keine Haut durchbrechen kann. Wie genau dies konzipiert wurde und welche physikalischen und was weiß ich Gesetze und Regeln dahinter stecken, kann ich euch nicht verraten. Da müsste man einen Fachmann anfordern. Kann aber sagen, dass die Säge sich nicht dreht, wie sie es normalerweise tun, sondern schwingt/vibriert (tut mir leid, da fehlt mir das Wissen für die korrekte Bezeichnung :D). Fakt ist, dass ich am eigenen Leib die Erfahrung machen durfte und bestätigen kann, dass tatsächlich keine Haut geschädigt wird. Lediglich spürt man ein (angenehmes) Vibrieren. Manche hatten Angst, Riesenangst sogar. Aber ich hatte zum Glück keine. Irgendwie habe ich der Mentorin blind vertraut und geglaubt. Um diese aber den anderen zu nehmen, hat die Mentorin sogar vor aller Augen die Säge angemacht und an ihren Arm geführt, um zu demonstrieren, dass wirklich keine Haut daran glauben muss.
Ich muss sagen, dass mir der Sägepart mit Abstand am besten gefallen hat. Den Gips schnitt sie mühelos durch und bei den Geräuschen, die sie von sich gab, war es trotz der Demonstration irgendwie unglaubwürdig, dass sie ungefährlich ist und uns keinen Schaden zufügen kann. Und weil ich so gemein bin, habe ich bei meiner Freundin tatsächlich auch noch selbst ausprobiert, ob die Säge die Haut nicht durchschneidet, sobald sie auf sie trifft. Während ich meinen Spaß hatte, erlitt sie einen Schreck. Aber keine Sorge, sie hat es überlebt und es geht ihr gut! Die Maschine funktionierte einwandfrei, das heißt, dass sie nur friedlich vor sich hin summte, ohne der Haut Schaden zuzufügen. Am Ende des Kurses habe ich den selbstgemachten Gips als Andenken mitgenommen, meinen Namen und Datum darauf versehen und in meine Sammlung getan.
Es sind die kleinen Dinge im Leben, die glücklich machen und uns nach vorne blicken lassen. Denn diese kleinen Schritte führen zum Großen und Ganzen. Deswegen bin ich für jede Erfahrung dankbar, die ich machen darf, da sie mir helfen, mich in meinen Skills zu entfalten. Dieser Gips ist einer der wenigen ersten Male, die ich im Studium erleben durfte. Es ist etwas kleines, nichts Weltbewegendes, aber für mich nicht minder wert. Welche die anderen ersten Male sind, erfahrt ihr bald!
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